Berichte aus dem schönen Bad Bergzaberner Land - meine fotografischen Streifzüge und Erlebnisse als Märchenfee
Tuesday, November 20, 2007
Frida Kahlo, über ihr Leben
Sie war Krüppel und Diva, Märtyrerin und Mythos. Frida Kahlo, die Künstlerin und Ikone der Weiblichkeit. Eine Hommage zu ihrem 100. Geburtstag.
Die Kleine ist sechs Jahre alt, als eine Kinderlähmung sie neun Monate lang aufs Bett wirft und zur Tagträumerin macht. Erst träumt sie von Mädchen, später von Jungen, beide wird sie früh schon lieben. Das rechte Bein, das sie auf Fotos hinter dem linken versteckt, bleibt geschrumpft, doch die kleine Frida wird tanzen, wild tanzen, bis man das böse Bein in ihren letzten Lebensjahren noch amputiert. Dann tanzt sie mit einer Prothese. Viel früher aber, am 17. September 1925, da gerät die gerade Achtzehnjährige in einen Verkehrsunfall, und die eiserne Haltestange einer Straßenbahn in Mexico City spießt sich in ihren Körper, verletzt ihr Rückgrat, zertrümmert ihr Becken, tritt durch die Vagina wieder aus. Frida überlebt, beginnt nach Operationen, Torturen in Gips- und Streckverbänden im Liegen zu malen, steht auf, wird die Geliebte, dann die Frau des Revolutionsmalers Diego Rivera, den sie nach einer Scheidung ein zweites Mal heiratet, wird von ihm immerzu betrogen, hat selber Liebhaber, einer ist Lenins ehemaliger Gefährte und Stalins Todfeind Leo Trotzki. Frida, die zeitlebens Schmerzensreiche, raucht und säuft, einen Liter Brandy am Tag, sie malt, schreibt, malt bisher nie Gemaltes in ihrer durch keinen Alkohol, keine Liebe, kein Morphium zu betäubenden Pein, sie erzählt schweinische Witze, ist eine Vollblutfrau und die Frau voller Blut: Krüppel und Diva, Märtyrerin und Mythos.
Und ihr Ruhm wächst bis heute. Übertrifft inzwischen sogar den Glanz ihres Ehemannes Rivera, des 21 Jahre älteren, schon zu Lebzeiten weltbekannten revolutionären Wandmalers und Supermachos, den alle nur Diego nannten. Frida und Diego, außerhalb ihrer Heimat zuerst in den USA erkannt, haben den reicheren nördlichen Nachbarn im Wechselbad von Anziehung und Abstoßung hassgeliebt, gemäß dem Motto vieler Mexikaner: „Gringo go home – but take me with you!“
Die wirkliche Frida ist 1954 am Rand von Mexiko City in dem Haus gestorben, in dem sie auch als Tochter eines ausgewanderten deutsch-jüdischen Fotografen aus Pforzheim und einer Mexikanerin 1907 geboren wurde. Also feiert man am 6. Juli ihren 100. Geburtstag. Feiert eine schöne, gegen alle existenzielle Tragik kämpfende Frau, deren 47 Lebensjahre alleine einem Wunder gleichen.
In New York hatte Frida 1938 ihre erste kleine Einzelausstellung in einer Surrealisten-Galerie gehabt, die zuvor Dalí, Max Ernst und Man Ray präsentiert hatte. Ihre zweite wichtige Station war Paris, 1939 vor Kriegsbeginn, wo sie mit einigen Bildern in der von André Breton schlampig vorbereiteten Schau unterm Titel „Mexique“ gezeigt wurde. Frida, die sich außerhalb Mexikos nie ganz wohlfühlte, meist fror und, obwohl für den linken Internationalismus begeistert, eine mexikanische Patriotin war, Frida empfand die französischen Café-Intellektuellen als dünkelhafte Schwätzer, sah in Paris nur ein Drecksnest und schrieb dem amerikanischen Fotografen Nickolas Muray, ihrer größten Amour neben Diego: „Lieber hocke ich mich auf den Markt von Toluca und verkaufe Tortillas.“
Immerhin kaufte ihr der Louvre als erstes Museum ein Gemälde ab, sie lernte Picasso, Kandinsky, Max Ernst und Miró kennen, die in ihr schon mehr sahen als nur Diegos hausfraulich malende Gattin. Und das Magazin „Vogue“ zeigte Fridas mit vielen Ringen geschmückte Hand auf dem Titel, präsentierte die Künstlerin allerdings noch als „Madame Rivera“. Trotzdem gab es bei „Vogue“ wohl schon eine Ahnung: dass diese immer in farbenprächtiger mexikanischer Tracht auftretende Frau mit dem eigenen Stolz auch das Selbstbewusstsein eines armen, doch lange vor der spanischen Eroberung schon kulturreichen Volkes verkörperte.
In ihrem Geburts- und Sterbehaus im stillen Villenvorort Coyoácan am südlichen Rand von Mexico City kann man trotz einiger Umbauten, die schon Diego Rivera vornehmen ließ, und trotz des heutigen Museumsbetriebs noch etwas nachfühlen von Fridas innerster äußerer Welt. Es ist die „Casa Azul“, das schon von Fridas Vater blau angestrichene Haus. Nahebei liegt auch, in Privaträumen fast unverändert, das befestigte Landgut, in dem Trotzki, im mexikanischen Exil zunächst Fridas und Diegos Gast im „Blauen Haus“, nach einer Affäre mit Frida gezogen war – und wo ihn ein Agent Stalins 1940 am Schreibtisch mit einem Eispickel erschlug. Da mag es wundern, dass auf Fridas Staffelei im ersten Stock des „Blauen Hauses“ noch immer ein angefangenes Stalin-Porträt steht. Der Despot mit sonderbar scheelem Blick.
Es hat wohl zu tun mit Fridas schwärmerischer Hingabe an die linke Utopie, vor dem roten Götzensturz. So hängen auch über jener Bettsänfte, in der man sie ein Jahr vor ihrem Tod zur Eröffnung ihrer ersten Einzelausstellung in Mexiko City getragen hat, die kommunistischen Heiligen, von Marx bis Stalin und Mao. Ihnen gegenüber aber ein bäuerliches anonymes Gemälde von einem toten, bunt geschmückten Kind. Auf dem Kopfkissen liegt Fridas Totenmaske, hinter dem Bett lehnt die Beinprothese mit einem anmontierten chicen, blutroten Lederschuh. Aber das wahre Sterbelager findet sich im nächsten Raum: ein Himmelbett, dort hatte Frida nur Schmetterlinge über sich. Daneben eine hohe Tonurne, antik, aus Diegos Sammlung präkolumbianischer Kunst, wohl ein Frauenleib ohne Kopf. Darin ist Fridas Asche.
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